Texte

Gedanken zur “Malerei”


Malerei ist ein gewaltiges Geschehen. Erkennt der Maler ihre Gesetze an, überkommt ihn augenblicklich ein Verlangen, diese wieder brechen zu können. Die Wahrheit ist: es existiert überhaupt gar nichts augenblicklich — außer Malerei.


Mit dem ersten intuitiven Griff zur Farbe gibt es nur noch das Verlangen, sie aufs Papier zu bringen! Eine Geschichte zu erzählen. Dann entsteht das Farbspiel.
Alles stößt vergnügt gegeneinander, weist voneinander weg, fließt durch sich hindurch. Und angesichts der Schwerkraft behaupten sich Schein und Wirklichkeit gegenüber der nackten Fläche - oder alles wirbelt aus dem Fenster.


Der Maler schaut verdutzt, als regne es auf ihn herab wie in einem Gewitter. Still füllen Farben den Raum, nach links oder rechts, drängen dem noch nicht bekannten Ziel entgegen – zur Schlußszene.





“Bilder sehen”


Seit der Entdeckung der Aleatorik (lat. für Würfelspieler) zugunsten der Malerei gelten Konstellationen von Masse, Schwerkraft, Zeit und Raum als untrennbar ineinander verwickelte Faktoren. Thomas Mack bedient sich dieses Verfahrens. Er kreiert künstlerische Strukturen mittels improvisatorischer oder kombinatorischer Zufallsoperationen. 


In seiner Malweise weder im klassischen Sinne einer Gouache-, noch der Aquarell-Malerei zuzuordnen, Mack malt in Acryl und Tusche auf Papier. Seine Malweise macht sich jedoch beide Möglichkeiten dienstbar.


Er sagt zu seiner Methodik: "Die Farben verbinden sich nicht, sondern sie reagieren miteinander, oder stoßen sich ab, je nachdem, mit welcher Geschwindigkeit sie zusammengeführt werden. Zu meiner Malerei kommt noch ein physikalisches Maß hinzu: die Schwere und die Geschwindigkeit. Abhängend davon mischen die Farben sich, mischen sich nicht, oder sie durchwirken sich nur. In einer Art ist das fast Bildhauerei, die da betrieben wird, denn Druck und Nicht-Druck spielen eine Rolle, genauso die Lufttemperatur. Somit entstehen Verlaufs- oder Durchwirkungsformen, die man so nicht malen kann.’ 


Macks Malerei versucht das Feld abstrakter Malerei zu erweitern. Sie verzichtet auf das gestische Element, bedient sich einem Mischverhältnis von Acryl- und Tuschfarben, der Farbmenge, der Platzierung, dem Zeitpunkt oder der Bewegung des Malgrundes. 
"Meine Grundidee, — seit zwanzig Jahren—, ist es zu zeigen, dass was wir sehen nur eine subjektive Wahrnehmung, nur ein konstruiertes Bild ist. Aus wissenschaftlichem Verständnis betrachtet, rein physikalisch, existieren diese Gegenstände, diese Dinge nicht. An der Malerei interessiert mich künstlerisch die Möglichkeit, diese Erkenntnis ein wenig aufzureißen, — indem ich Bilder schaffe, die keine Bilder sind! Die Verlaufsformen in diesen Bildern verfließen zu Erscheinungsbildern, die zum Anschauen herausfordern. Der Betrachter kann sehr viel darin sehen, oder er kann es auch lassen und sieht nichts. Jeder kann bei erfassen der Bilder seine Phantasie spielen lassen und sich ins das Reich des Subjektiven begeben."


Im Digitalverfahren hergestellt ist diese Malerei jedoch mehr als die Wiedergabe der Bilder im 3D Druck. Vielmehr: es sind eigenständige Kunstwerke.





“Reliefdrucke”


Die Reliefdrucke von Thomas Mack sind eigenständige künstlerische Arbeiten. Vom Entwurf bis zu ihrer Fertigstellung verfolgt Mack ein Konzept. Er nutzt zur Anfertigung ein hochkomplexes Scan- und Druckverfahren, das ermöglicht, Farbpartien zu erfassen, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sind. Die Vorlage zu diesen Bildern liefert seine Malerei. Von einem 3D-Scanner in tausendstel Millimeter aufgelöst und unter Anleitung durch den Künstler digital ausgearbeitet, werden die Dateien in einem 3D Druckverfahren in bis zu zehn Druckvorgängen ausgegeben. Anwendungen dieser Art sind sind in der Kunst noch Pilotverfahren. So sind auch diese Bilder, in ihrer Herstellung eine Kombination aus Hightech und klassischer Malerei, etwas Neues: seeing the unforeseen . . .





Interview “Verstrickt 2015”


Du zeigst Malerei. Sind diese Arbeiten eine Art Übersetzung deiner graphischen Kunst von einem Medium in ein anderes?


Zum Teil ja. Bei meinen Graphiken ist diese Vielschichtigkeit gegeben und bei der Malerei ist das auch so. In der Malerei ist es eher das fließende, was mich interessiert, die informelle Art des Herangehens, weniger das Konkrete.


Bezogen auf deine Drucke hast du das zu deiner letzten Ausstellung auch so ähnlich beschrieben. Deine Nordung sei das Informell. Gerade in diesen neuen Arbeiten kommt das noch besser zum Ausdruck, weil das Auflösen von Formen und die Formwerdung hier viel deutlicher in ihrem Spannungsfeld sichtbar sind.


Ja, durchaus.


In deiner Malerei findet man spannende Methoden und Impulse. Letztere drücken sich sehr direkt aus. Die Arbeit lebt von diesen Zufälligkeiten. Auf der anderen Seite hast du hohe Ansprüchen an die Kunstfertigkeit, das Handwerkliche.


Diese malerischen Übungen, so nenne ich es mal, sind so etwas wie ein Erlebnis. Vieles habe ich da noch gar nicht erfasst. Das bedürfte einer Akribie, die es erfordert, technische Voraussetzungen zu schaffen, um bestimmte Dinge überhaupt machen zu können. Aber die habe ich gar nicht. Und ich muss die technischen Dinge beachten. Sonst stößt man sofort an Grenzen. Wenn man Ergebnisse will, geht es ohne technisches Vermögen nicht, - höchstens rein zufällig.
Der Malerei selbst ist jedoch selbst eine gewisse Unabwägbarkeit imanent: wenn Farben unter bestimmten Voraussetzungen fließen, hier Acryl und Tusche, und sich durchwirken - es hat was von Evolution für mich - ist das etwas sehr Spannendes, - lebt von Bewegung. Es ist auch Spiel darin. 


Was war der Startpunkt für diese Entwicklung?


Es gab eine paradoxe Situation. Es war Joseph Beuys, der mir die Augen geöffnet hat. Ich kam vom Realistischen. Ich dachte immer: Abstraktion, und das Ganze - was ist das?  Die können alle nichts. Ich habe realistisch gemalt, aber lieblos. Es ging keine Freude damit einher und ich hatte den ehrlichen Gedanken: jetzt mache ich keine Kunst mehr. Ich hatte sie sogar als sinnlos betrachtet.
Durch einen Zufall (sozusagen nun befreit vom Kunstzwang), stand ich kurze Zeit später in einer Beuys Ausstellung. Da standen so Vitrinen, verschiedene Kästen mit lauter Accessoires aus seiner Kindheit, aus Sammlungen, kleine Döschen, Riemen. Da erinnerte ich mich an meine Kindheit und unseren Speicher. Und da hat es Pling in meinem Kopf gemacht. Da habe ich dank Joseph Beuys begriffen was ein künstlerischer Vorgang ist, das hatte ich bis dato nicht verstanden. Darauf fing die ganze Ausstellung für mich zu leuchten an. Und ich kam fast wie bekehrt raus. Was mich an Beuys fasziniert hat war, daß er alles als Kunst gesehen hat. Der hat irgend einen Eimer mit Erde gefüllt von irgendeiner Fabrik. Er ist mit seinem Auge durch die Landschaft gegangen und hat das als Kunstraum gesehen. Das hat mir das Auge dafür geöffnet, dass in meiner Umgebung, in der Welt in der ich lebe, ich nicht mich an die Staffelei setzen muss, um Kunst zu machen, sondern ich kann sie überall finden für mich - jetzt! Diesen Gedanken war ich vorher nicht in der Lage zu denken geschweige denn überhaupt zuzulassen - diese Universalität, überhaupt das etwas einen berühren kann. Die Welt ist der Raum, die Luft, die Sphäre...  das ist ein guter Gedanke finde ich. Das hat mich inspiriert. Da ging das los: ich fing mit meiner Radierung an, mit meinen Schriften. Diese Abstraktion habe ich dann in mich hinein gelassen.